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Die Päpstin /
Pope Joan"
(Rütten & Loening, Gebundene Ausgabe, 1996, gelesen: Januar 99)
"Johanna, ein junges Mädchen mit überragenden Geistesgaben, wächst im Frankenreich des
9. Jahrhunderts heran. Als Tochter eines strenggläubigen Vaters und einer heidnischen Mutter
gelingt ihr, was allen Mädchen im Mittelalter verwehrt blieb: Sie erhält eine fundierte heilkundliche
und philosophische Ausbildung. Doch Johanna weiß, daß ihr als Frau die letzten Tore der Weisheit
verschlossen bleiben, ja daß sie kaum überleben wird. Als Mönch verkleidet tritt sie zunächst ins
Kloster Fulda ein und macht sich Jahre später auf den Weg nach Rom. Dort gelangt sie als
Leibarzt des Papstes innerhalb kurzer Zeit zu großer Berühmtheit. Und schließlich ist sie es selbst,
die die Geschicke der katholischen Kirche leitet: Als Papst Johannes Anglicus besteigt sie den
päpstlichen Thron."
Ich kenne keinen, der für dieses Buch länger als 5 Tage gebraucht hat. Und dabei hat es
566 Seiten in der gebundenen Ausgabe ... im wahrsten Sinne des Wortes das, was man als einen
'dicken Wälzer' bezeichnet. Aber diese wahre Geschichte einer jungen Frau,
die sich gegen alle Hindernisse das holt, was sie haben will, nämlich Wissen, ist auf keiner
einzigen Seite langweilig.
Die Autorin gibt im Nachwort selbst zu, daß sie den persönlichen Hintergrund Johannas
durch fiktive Details ergänzen musste: "Über Johannas Kinder- und Jugendjahre ist so
gut wie nichts bekannt; ... Doch die bedeutsamsten Ereignisse in Johannas Erwachsenenleben, wie
sie in Die Päpstin geschildert werden, entsprechen der tatsächlichen historischen
Überlieferung; gleiches gilt für den äußeren geschichtlichen Rahmen ..." (S. 563).
Auch wenn einige Fakten 'zurechtgerückt' wurden, gibt die Geschichte doch ein fesselndes
Bild des Mittelalters.
Als Frau dreht sich einem stellenweise der Magen herum, wenn man lesen muss, wie Frauen in
dieser Zeit generell behandelt wurden und was ach so gelehrte Kirchenmänner über
Frauen sagten, die nichts anderes als lesen und schreiben lernen wollten. "Bei einigen Frauen ist -
wie auch bei manchen Tieren - die
Fähigkeit zur Nachahmung besonders hoch entwickelt, und dies erlaubt es ihnen, sich die
Worte der Männer einzuprägen, sie zu wiederholen und auf diese Weise den Anschein
der Gelehrsamkeit zu erwecken. Aber diese Fähigkeit zur Nachahmung darf nicht mit der wahren
Vernunft verwechselt werden, die ihrem ganzen Wesen nach eine rein männliche Eigenschaft
ist." (S. 115f).
Da kann man doch nur sagen, dass es uns Frauen heute richtig gut geht. Es müssen Frauen
wie Johanna gewesen sein, die uns den Weg dafür geebnet haben, was uns heute offen steht.
Aber es handelt sich hier natürlich nicht nur um 'Frauenliteratur'. Die Geschichte hat ganz
bestimmt auch für Männer ihren Reiz. Letztendlich geht es darum, wie es ein Mensch,
der nicht von Geburt an dazu ausersehen war, es schaffte, zum Oberhaupt der katholischen
Kirche aufzusteigen.
[Dorothée Büttgen, Mai 99]